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Arbeitsweise & Methoden

Ganzheitlich

Holistische Biografiearbeit ist eine Ressource, die als praktische Psychologie angesehen werden kann. Die zugrundeliegende Philosophie ist die Anthroposophie (Menschen-Weisheit). Ihr Gründer, der österreichische Philosoph Rudolf Steiner, gab viele Beschreibungen der menschlichen Entwicklung, die die Grundlage der Holistischen Biografiearbeit bilden –

  • Siebenjahres-Phasen oder Jahrsiebte,
  • Rhythmen und Zyklen der Entwicklung,
  • signifikante Wendepunkte im Leben,
  • die Spiegelung früher Ereignisse in späteren Lebensphasen,
  • die Metamorphose von Ereignissen und Erlebnissen in Seelen- und geistige Fähigkeiten,
  • und die ununterbrochene Aktivität der geistigen Gesetze und Kräfte, der Sterne und der Planeten und der himmlischen Hierarchien, die im Hintergrund unseres Lebens stehen.

Daraus ergibt sich ein inspirierendes Bild des individuellen menschlichen Lebens als Mikrokosmos des Universums, und einer Reise durch Metamorphose und Transformation, die die Entwicklung der Menschheit, der Erde und des Kosmos widerspiegelt und verbindet.

Wir verstehen Biografien als Berichte von Einweihungen durch das Leben. Indem wir unser eigenes Leben untersuchen, um herauszufinden wer wir als Mensch sind, ergibt sich die Möglichkeit, unser Leben auf eine neue Art und Weise in den Griff zu bekommen. Wir lernen uns als Mitschöpfer unseres Lebens kennen, verbunden mit der gesamten Schöpfung.

Viele Passagen in Rudolf Steiners Büchern „Wie erlangt man Erkenntnisse Höherer Welten“ und „Soziale und antisoziale Triebe“ beschreiben eine phänomenologische Arbeitsweise mit Biografien, die Gudrun Burkhard anhand von Beispielen einer Lebensübersicht (Panorama) und mit Hinweisen zur Auseinandersetzung mit Lebensereignissen durch Dialog und künstlerischen Ausdruck zur Anwendung bringt. Ziel ist es, Erinnerungen durch bewusste Ich-Aktivität zu beleuchten. Indem wir konkrete, detaillierte Bilder sowohl von inneren als auch von äusseren Phänomens unseres Lebens erzeugen (imaginieren) und diese aus der Perspektive eines selbstlosen Beobachters (Zeugen) betrachten, beginnen wir die innere Wahrheit von Lebensereignissen zu erkennen. Indem wir unsere Vergangenheit reflektieren und uns bemühen, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen, können wir das Geschehene verarbeiten und integrieren, und auf die tieferen Ziele und Absichten zugreifen, die dort am Werk sind. Wenn wir sehen und verstehen, können wir Verantwortung übernehmen und Entscheidungen für die Zukunft treffen; wir können neue Beziehungen zur Vergangenheit finden, die Möglichkeiten der Gegenwart erkennen und vollständiger das Leben ergreifen.

Dr. med. Gudrun Burkhard bezeichnet solche Erkenntnisprozesse als heilsam, als präventiv Medizin. Wenn wir gemeinsam mit anderen Selbsterzieherisch arbeiten, arbeiten wir zugleich bewusst daran, Bedingungen und Tendenzen zu verändern, die andernfalls zu Krankheiten führen könnten. Auf diese Weise bewegen wir uns von  Notwendigkeit zu Freiheit. Wir beginnen ein Zusammenwirken mit spirituellen Kräften und übernehmen Verantwortung für unser Leben und seine zukünftige Entwicklung. Indem wir bewusst unser Leben ergreifen, ergreifen und erzeugen wir heilende Substanzen die in unserer Biografie verborgen sind und uns für unserere weiteren kreativen Bemühungen zur Verfügung stehen können. Unsere Biografie wird zu einem Lebenskunstwerk, und kann andere auf ihrem Weg inspirieren und nähren.

Indem wir die Wahr-Bilder unserer Biografien imaginieren, ritualisieren wir unser Leben und heben es auf eine mythische Ebene. Der Archetyp der menschlichen Entwicklung wird aus die Details unserer individuellen Lebensweise enthüllt und unser Leben gewinnt auf dem Hintergrund dessen an Tiefenschärfe. Wenn wir beginnen uns als Bürger der Erde und des Kosmos zu erleben, dann können wir auch beginnen von uns selbst abzusehen und uns mit Interesse und Hingabe den Menschen und der Welt widmen.

In einem seiner Vorträge beschreibt Steiner, wie wir in den späten Zwanzigern an eine Schwelle, einen Nullpunkt geraten, an der das Leben uns nicht mehr trägt und unsere künftige Entwicklung von den eigenen Anstrengungen, von unserer Ich-Aktivität abhängt. Man könnte sagen, dass auch unsere kollektive Zukunft von dieser zu entwicklenden gesteigerten Ich-Aktivität abhängt, da es darum geht, mit innerer Freiheit und Kreativität den ökologischen und sozialen Herausfoderungen zu begegnen, die uns als Menschheits- und Erden-Schicksal im 21. Jahrhundert entgegen kommen. Mehr vom Selben hilft nicht mehr, Denken ausserhalb der Box des Vergangenen und Gegebenen ist gedragt.
Otto Scharmer nennt diese neue Fähigkeit Presensing: „The capacity to connect to the deepest sources of self – to go to the inner place of stillness where knowing comes to surface.“

Die gesteigerte Ich-Aktivität, die Möglichkeit der Schöpfung aus dem Nichts, die Möglichkeit sich wie Münchausen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen, aus den Ereignissen herauszutreten und einen höheren Standpunkt einzunehmen, ist der Kern der Holistischen Biografiearbeit. Sie kann zu einen Schulungsweg zur Stärkung und Ausweitung des Ichs – nicht des Egos – und zugleich zur Steigerung menschlicher Fähigkeiten werden, gesteigerte –

  • Begegnungsfähigkeit,
  • Beobachtungs- und Denkvermögen,
  • Toleranz,
  • Empathie und
  • Interesse.

Holistische Biografiearbeit möchte dazu beitragen dankbar zu sein, für alles was uns begegnet und einen Weg zur Wahrnehmung des karmischen Netzwerkes öffenen, das uns umgibt. Je tiefer wir menschliches Leben verstehen, je mehr wir unser eigenes Leben studieren und den Lebensgeschichten anderer lesend zuhören, desto grösser wird unser Verständnis und unser Mitgefühl für die Wege des Schicksals, und je feiner unsere Sensibilität für das, was menschliches Leben und Schicksal ausmacht. Bernhard Lievegoed sah in der Biografiearbeit die Möglichkeit, in der westlichen Welt eine Tür für das Karma offen zu halten.

Heute sind wir unsicher über unsere Existenz und laufen Gefahr unsere Menschlichkeit zu verlieren. Wir haben eine tiefe Sehnsucht nach echter Begegnung und danach in unserem Menschsein wahrgenommen zu werden.

„To be is to be perceived, and so to know thyself is only possible through the eyes of the other. The nature of our immortal lives is in the consequences of our words and deeds, that go on and are pushing themselves throughout all time.
Our lives are not our own. From womb to tomb, we are bound to others, past and present, and by each crime and every kindness, we birth our future.“ – Sonmi 451 / David Mitchell, Cloud Atlas / George Berkeley

Methoden

Methoden der Ganzheitlichen oder Holistischen Biographie Arbeit basieren überwiegend auf Rudolf Steiners Anthroposophie. In seiner geisteswissenschaftlichen Forschung beschreibt, erweitert und benutzt Steiner Phänomenologie als Methode.

Dieser phänomenologische Ansatz, der von Steiner auf den Spuren Goethes weiter entwickelt wurde, wird auch in der Holistischen Biografiearbeit angewandt, wenn wir die Lebensereignisse, unter Zurückhaltung von Theorien und Schlüssen, phänomenologisch beobachten. Um in vollem Umfang von der Goetheschen Beobachtungspraxis zu profitieren, muss man zunächst lernen sich selbst zu beobachten. Steiner weist immer wieder auf die Selbsterkenntnis, die aus Selbstbeobachtung resultiert hin.

Was sind Zweck und Ziel dieser Selbst-Beobachtungs- oder Selbsterkenntnis-Praxis?

Als ersten Schritt beschrieb Steiner imaginatives Erkennen,…

…bei dem man ein einzelnes Ereignis, einen Sieben-Jahres-Zeitraum (Jahrsiebt) oder das ganze Leben mit einem Panoramablick in Bildern, Formen oder Farben wahrnimmt. Diese Wahrnehmung, die Steiner als Lebenspanorama bezeichnet, ähnelt dem Tableau oder Panorama, Nachtodlich oder häufig bei Nahtodeserlebnissen erscheint. Manche Menschen erleben ein Panorama ausgelöst durch einen Schock oder einen Unfall, bei dem sich ihr Ätherleib für kurze Zeit vom physischen Körper löste. Oft wirken solche Ereignisse lebensverändernd, da das Erlebnis den Drang neue Wege zugehen auslöst.
Auch für die Biografiearbeit ist das Panorama, die Lebensübersicht, der erste Schritt, der zu Lebens-Veränderungen führen kann. Wie zum Beispiel Aktivitäten neu auszurichten und Lebensziele neu zu setzen.

Der zweite Schritt betrifft das inspirierte Erkennen oder die Inspiration,…

…die sich ergeben kann, wenn man sich von den Details der beobachteten Phänomene löst und sich meditativ in die Klänge, die Harmonien und die Disharmonien der Jahrsiebte vertieft. Wir sind eingeladen zu sehen (hören), was uns begegnet ist, wen wir getroffen haben, welche Resonanzen und Dissonanzen in uns ausgelöst wurden und welchen Einflüsse diese auf uns hatten.
Mit dieser Aktivität nehmen wir in der Biografiearbeit etwas ins Leben herein, was sonst als nachtodlicher Vorgang im Kamaloka beschrieben wird.

Zum dritten Schritt kann man kommen, wenn man eine geistig forschende Intention erzeugt…

…und die imaginative und inspirative Erkenntnis zu einer intuitiven Erkenntnis verdichtet. Diese urständet in den Entwicklungsgesetzen von Erde, Kosmos und Mensch, welche sich in der Biografie als Rhythmen, Spiegelungen, Synchronizität und Metamorphose abbilden.

Diese und weitere Gesetze und Methoden werden in den Workshops und Trainings der Holistischen Biografiearbeit vorgestellt und beschrieben.

Zusammenfassend ist die Aufnahme eines Panoramas der erste Schritt in der Arbeit mit unserer Biografie.
Der zweite Schritt besteht darin, zu verstehen, wie sich das Leben nach dem Tod in unserer Biografie widerspiegelt, oder mit anderen Worten, der Einfluss von Schicksal und Karma.
Der dritte Schritt wird erreicht durch ein tieferes Verständnis der spirituellen Gesetze, die sich in einer Biographie abbilden. Zum Beispiel in der Art und Weise wie sich bestimmte Lebensphasen in andere transformieren oder sich in anderen widerspiegeln; oder der Synchronizität, den sinnvollen Zufällen, die sich im Leben ereignen.

Das Leben selbst ist ein Initiationsweg, eine Einweihung durch das Leben, die um so bedeutsamer wird, je mehr sie bewusst erlebt und gelebt wird. Dazu möchte und kann Biografiearbeit einen Beitrag leisten.